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Cimicifugae racemosae rhizoma - Traubensilberkerzenwurzelstock

Stammpflanze: Actaea racemosa L. [Fam. Ranunculaceae/Hahnenfußgewächse]; Traubensilberkerze. Synonyme: Cimicifuga racemosa (L.) NUTT. Hinweis: Der korrekte aktuell gültige botanische Name entspricht der ursprünglich von Linne eingeführten Bezeichnung. Allerdings wurde die Art bereits 1818 von dem amerikanischen Botaniker Nuttal der Gattung Cimicifuga WERNISCH zugeordnet. Diese Einordnung hatte bis Ende der 90er Jahre Gültigkeit. Im Jahr 1998 wurde die Art insbesondere auf der Basis molekularbiologischer Untersuchungen (nrDNA ITS und cpDNA-Daten, trnL-F Sequenzdaten) von Compton und Mitarbeitern  wieder der ursprünglichen Gattung Actaea zugeordnet. Aktuell besteht die Situation, dass die Traubensilberkerze unverändert besser unter der alten Bezeichnung Cimicifuga racemosa als unter dem aktuell gültigen Namen bekannt ist. Weitere, weniger bekannte und gebräuchliche Synonyme sind Actaea gyrostachya WENDER, Actaea orthostachya WENDER, Actaea monoyna WALT., Botrophis actaeoides RAFIN., Botrophis serpentaria, Christophoriana canadensis racemosa GOUAN, Cimicifuga racemosa (TORR) BART., Cimicifuga serpentaria PURSH, Macrotis octroides, Macrotis raceomosa SWEET, Macrotis serpentaria. Dt. Synonyme: Amerikanische, schwarze, wilde Schlangenwurzel, Amerikanisches hohes staudiges Christophskraut, Frauenwurzel, Klapperschlangenkraut, Schwindsuchtwurzel, Silberkerze, Traubenförmige Schwarzwurz, Wanzenkraut. Englisch: Black cohosh. Weitere, weniger gebräuchliche englische Bezeichnungen sind Black snakeroot, bugbane, bugwort rattleroot, rattletop, rattle-snakeroot, rattleweed, richweed und squawroot.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Die Trauben-Silberkerze ist eine ausdauernde Pflanze, die durchschnittlich 1 m bis 1,50 m hoch ist und maximal bis über 2 m hoch werden kann. Die oberirdischen Teile sterben im Herbst ab. Als Überwinterungsorgan dienen die Wurzeln und der Wurzelstock, der ab dem 3. Lebensjahr zunehmend an Größe gewinnt. Der Stengel ist aufrecht und beblättert. Die Laubblätter sind relativ groß und dreifach gefiedert, die Blättchen spitz und tief gesägt. Je nach Lebensalter der Pflanze verzweigt sich der Stengel im oberen Teil in einzelne bis zahlreiche Blütenstände. Bei diesen handelt es sich um schmale, lange, kerzenähnliche Trauben (Ursprung des deutschen Namens) mit zahlreichen weißen Blüten. Die Blütenhülle besteht aus einem vierblättrigen Kelch und kleinen Kronblättern, die sofort nach dem Aufblühen abfallen. Daher findet man in der Vollblüte nur die zahlreichen Staubblätter mit ihren ebenso weißen Staubfäden und Staubbeuteln. Es existiert nur ein Fruchtknoten mit sitzender Narbe, aus dem sich eiförmige Kapseln entwickeln, die zahlreiche flache Samen enthalten.

Verbreitung: Heimisch in den Oststaaten der USA und in Ontario. Die Westgrenze des Verbreitungsgebiets befindet sich Missouri, die Südgrenze in Georgia. Anzutreffen bevorzugt an schattigen, felsigen Standorten.

Droge: Der getrocknete, nach der Fruchtreife gesammelte Wurzelstock mit den Wurzeln.

Beschreibung der Droge: Der Wurzelstock ist bis 15 cm lang und bis 2 cm dick, dunkelbraun, längsfurchig, rauh, stark knotig und etwas geringelt, so dass er insgesamt recht unregelmäßig gestaltet erscheint. Auf der Oberseite trägt er zahlreiche rundliche Narben und Reste der früheren Stengel. Auf der Unterseite entspringen die bis 3 mm dicken, längsfurchigen, dunkelrotbraunen, leicht abbrechenden Wurzeln. Der Bruch ist hornig und faserig. Die Schnittdroge besteht aus den dunkelbraunen, rauhen, unregelmäßig geformten Wurzelstockstückchen sowie zahlreichen dünnen, dunkelrotbraunen und längsfurchigen Wurzelstückchen. Im Querschnitt der Bruchstücke des Wurzelstocks ist in der Mitte ein hornartiges, weites, dunkelfarbiges Mark zu erkennen. Der Holzkörper ist weißlich oder braunrötlich und mit unterschiedlich breiten, keilförmigen Gefäßteilen versehen. Die Rinde ist schmal, dunkel und hornartig.

Geruch und Geschmack: Eigenartiger, insgesamt recht uncharakteristischer Geruch und bitterer, scharf zusammenziehender Geschmack.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Cimicifuga-Wurzelstock, Frauenwurzel, Nordamerikanische Schlangenwurzel, Wanzenkrautwurzel. Englisch: Black cohosh, Rattleroot. Lateinisch: Radix (Rhizoma) Actaeae racemosae, Radix Christophorianae americanae, Radix Cimicifugae racemosae, Radix Cimicifugae serpentariae, Radix Serpentariae racemosae, Rhizoma Cimicifugae.

Herkunft: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt fast ausschließlich aus der Wildsammlung in Nordamerika. Anbauprojekte in Deutschland sind bislang für den gesamten Markt noch von untergeordneter Bedeutung.

Gewinnung der Droge: Die Sammlung erfolgt im Herbst. Die gesamten unterirdischen Organe werden ausgegraben und anschließend von fremden Bestandteilen und Faserwurzeln befreit. Nach dem Waschen wird die noch feuchte Droge in dicke Stücke geschnitten und in der Sonne getrocknet.

Inhaltsstoffe: Die wirksamen Bestandteile der Droge sind bis heute nicht bekannt. Aufgrund von Ergebnissen zahlreicher pharmakologischer Untersuchungen wird vermutet, dass die in relativ großer Menge vorkommenden Triterpenglykoside und die phenolischen Verbindungen im Wesentlichen für die Wirkung verantwortlich sind. Die Vertreter beider Stoffklassen sind durch eine relativ außergewöhnliche Struktur charakterisiert. Bei den Triterpenglykosiden handelt es sich um zahlreiche Sauerstoffgruppierungen tragende Verbindungen vom Cycloartan-Typ. An das C-Atom 3 des Aglykons ist bei der Mehrzahl der Verbindungen ein Molekül Xylose gebunden, bei weiteren Verbindungen ein Molekül Arabinose. Haupttriterpenglykoside sind das Actein und das 23-epi-26-Desoxyactein (nach alter Nomenklatur als 27-Desoxyactein bezeichnet). Neben diesen kommen zahlreiche weitere Verbindungen vor, die sich vor allem in der Stellung und Verknüpfung der Sauerstoffatome in der Seitenkette am C-17 unterscheiden (s. z. B. das Actaeaepoxid-3-O-ß-D-xylopyranosid). Bei den phenolischen Bestandteilen handelt es sich zum überwiegenden Teil um Ester von Ferula- und Isoferulasäure mit einem phenolischen Bicarbonsäurealkohol, der Fukiinsäure oder der Piscidinsäure. Wichtigste Verbindungen diesen Typs sind Fukinolsäure und die Cimicifugasäuren, darunter die Cimicifugasäure F. Daneben finden sich noch weitere Cimicifugasäuren sowie freie Ferula- und Isoferulasäure sowie Kaffeesäure. Weitere Bestandteile: Geringe Mengen an Flavonoiden, Gerbstoffen, Harzen, Fettsäuren, Stärke und Zuckern. Strittig ist nach wie vor das Vorkommen des Isoflavons Formononetin. Mittels mehrerer analytischer Verfahren, darunter die HPLC-MS, konnte in Traubensilberkerzenwurzelstock, der von 13 verschiedenen Standorten in den USA stammt, sowie in den Fertigarzneimitteln Remifemin und CimiPure kein Formononetin nachgewiesen werden (Kennelly et al.). Demgegenüber nennt eine jüngst erschienene Arbeit (Panossian et al.) einen Gehalt zwischen 3,1 und 3,5 µg pro Gramm Droge. Der Nachweis erfolgte dort jedoch lediglich mittels Dünnschichtchromatographie. Dabei trat im Chromatogramm der Untersuchungslösung eine Substanzbande bei einem mit Formononetin übereinstimmenden Rf-Wert auf, der ebenfalls mittels Fluoreszenzdetektion quantifiziert werden konnte. Eine Isolierung und Strukturaufklärung der betreffenden Komponente ist nicht erfolgt. Gleichfalls fehlt ein Nachweis, dass die dieser Bande zugrunde liegende Substanz ein mit Formononetin identisches Emissionsmaximum aufweist. Aus diesem Grund erscheint die in dieser Arbeit erneut postulierte Anwesenheit von Formononetin im Wurzelstock der Traubensilberkerze unverändert sehr unwahrscheinlich.

Wirkungen: Traubensilberkerzenrhizom besitzt eine insgesamt östrogenartige Wirkung und bessert dadurch klimakterische Beschwerden. Die Droge wurde in den zurückliegenden Jahren intensiv untersucht. Die derzeit vorliegenden Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Wirkung nicht durch einen direkten Angriff an Östrogenrezeptoren verursacht wird sondern durch eine so genannte Selektive Östrogen Rezeptor Modulation (SERM), wobei das Wechselspiel mit den gewebespezifischen Koeffektoren der Rezeptoren von entscheidender Bedeutung ist. Diese Theorie erklärt zugleich, dass durch Extrakte aus der Traubensilberkerze nur einzelne östrogenartige Wirkungen hervorgerufen werden und die breite Palette von Nebenwirkungen der Östrogene nicht zu erwarten ist. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Traubensilberkerze von den so genannten Phytoöstrogenen, die in Pflanzen wie Rot-Klee und Soja enthalten sind, die aus chemischer Sicht meist Isoflavone darstellen und die durch direkten Angriff an den Östrogen-Rezeptoren bei vergleichbarer Dosierung auch das gleiche Nebenwirkungspotential wie die synthetisch hergestellten Östrogene aufweisen. Weiterhin soll die Droge bei Haarausfall helfen. Entsprechend der Ergebnisse einer jüngeren Mitteilung soll sowohl die Anzahl der wachsenden Haare gesteigert und die Anzahl der ausfallenden Haare gesenkt werden. Weiterhin wurde eine geringfügige Zunahme der Dicke der Haare beobachtet. Letztere Wirkung wird bislang nicht therapeutisch genutzt und bedarf zweifelsohne weiterer Untersuchungen.

Anwendungsgebiete: Prämenstruelle und dysmenorrhoische sowie klimakterisch bedingte neurovegetative Beschwerden. Ihre Hauptbedeutung hat die Droge jedoch in der letztgenannten Indikation. Die Wirksamkeit zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden konnte durch mehrere klinische Studien bewiesen werden. In diesen Studien hat sich gezeigt, dass vor allem die als besonders belastend empfundenen Hitzewallungen sowie ferner das Schwitzen, die Schlafstörungen und die psychischen Beschwerden depressive Verstimmung, Nervosität, Reizbarkeit, Allgemeine Leistungs- und Gedächtnisminderung signifikant gebessert werden. Keinen nennenswerten Einfluss scheint die Droge auszuüben auf somatische und atrophische Beschwerden.

Volkstümliche Anwendungsgebiete: Tinnitus und spezielle rheumatische Erkrankungen. Ein Wirksamkeitsnachweis für diese Anwendungsgebiete fehlt.

Gegenanzeigen: Keine bekannt.

Unerwünschte Wirkungen: Triterpenglykoside besitzen allgemein schleimhautreizende Eigenschafen. Daher können vereinzelt Magenbeschwerden auftreten. Befragungen von Patientinnen im Rahmen der klinischen Studien zeigen, dass die Verträglichkeit als sehr gut eingeschätzt wird.

Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Keine bekannt.

Dosierung und Art der Anwendung: Die mittlere Tagesdosis liegt bei einer Drogenmenge von 40 mg. Die Anwendung erfolgt ausschließlich in Form von Spezialextrakten, die mit Wasser-Ethanol- oder Wasser-Isopropanol-Gemischen hergestellt werden. Die Wirksamkeit ist scheinbar nicht nur von der Art des Auszugsmittels sondern auch von der Art der Extraktion (Mazeration, Digestion, Perkolation) und deren Dauer abhängig. Aus diesem Grund sollten ausschließlich Fertigprodukte verwendet werden, deren Wirksamkeit in mehreren klinischen Studien nachgewiesen wurde. Die Präparate müssen über einen längeren Zeitraum eingenommen werden, da die Besserung der Symptome der Wechseljahrsbeschwerden in der Regel erst nach einer mindestens einmonatigen Anwendung eintritt.


Bilder:

Mit ihren langen, fast schneeweißen Blütenständen und der bei älteren Pflanzen häufig stattlichen Größe zählt die Trauben-Silberkerze zweifelsohne zu den besonders auffälligen Pflanzen (s. Abbildung links). Die Blüten besitzen einen Durchmesser von ca. 1 bis 2 cm. Die Blütenhülle ist nur an den Knospen vorhanden (s. Abbildung rechts), wogegen zur Vollblüte die Staubblätter dominieren (s. Abbildung unten).

 

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© Thomas Schöpke