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Cascararinde - Frangulae purshianae cortex
[Ph.Eur. 5. Ausgabe, Grundwerk 2005]

Stammpflanze: Frangula purshiana (DC.) J. G. COOPER / Amerikanischer Faulbaum [Fam. Rhamnaceae / Faulbaumgewächse]. Synonyme: Rhamnus purshiana DC. [Hinweis: Das Europäische Arzneibuch nennt noch den alten, heute nicht mehr gültigen Namen R. purshiana als Namen der Stammpflanze], Rhamnus alnifolius PURSH., Perfonon laurifolium RAF. Dt. Synonyme: Amerikanischer Kreuzdorn, Sagradafaulbaum. Englisch: Bearberry, cascara buckthorn, cascara sagrada, chittambark, western buckthorn.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: 6 bis 10 m hoch werdender Baum, zuweilen auch als Strauch vorkommend. Junge Zweige graufilzig behaart. Blätter länglich-eiförmig, über der Mitte am breitesten, bis 17 cm lang und 7,5 cm breit. Blattspreite in der Jugend filzig behaart, Blattrand fein gezähnt, Blattstiel 0,8 bis 1,8 cm lang, Nebenblätter vorhanden, jedoch nur sehr klein und kaum wahrnehmbar. Blüten 5zählig (Unterschied zu Rhamnus), klein, in blattachselständigen Trauben, mit grünem Achsenbecher und weißen Kronblättern. Staubblätter den Kronblättern angewachsen, zwischen den Kronblättern stehend. Fruchtknoten oberständig, 3fächerig, Griffel sehr kurz (kürzer als der Fruchtknoten!). Früchte zunächst rot, zur Reifezeit schwarzpurpurn, mit eiförmigen, schwarz glänzenden Samen.

Verbreitung: Heimisch in den pazifiknahen Staaten der USA (nördliches Kalifornien und Idaho, westliche Teile Montanas und Oregons, Washington) und Kanadas (südliches British Columbia). Vorkommend besonders an Flussufern und in Nadelwäldern.

Droge: Die getrocknete, ganze oder zerkleinerte Rinde, die bezogen auf die getrocknete Droge einen Mindestgehalt an Hydroxyanthracen-Glykosiden von 8,0 Prozent aufweist, berechnet als Cascarosid A, von denen mindestens 60 Prozent Cascaroside sind.

Gewinnung der Droge: Das Schälen der Zweige erfolgt in der Regel im Frühjahr an zu diesem Zweck gefällten Bäumen. Vor dem Gebrauch ist eine einjährige Lagerung oder eine längere Hitzebehandlung erforderlich, da die getrocknete erntefrische Droge einen hohen Anteil an lokal stark reizenden, zu Brechreiz führenden Anthronverbindungen enthält, die bei der Lagerung zu den Anthrachinonglykosiden oxidiert werden.

Beschreibung der Droge: Schwach rinnenförmige oder fast flache Stücke mit einer Dicke von 1 bis 5 mm. Länge und Breite stark variierend. Außenseite grau bis dunkelgrau-braun gefärbt, gelegentlich mit quer verlaufenden Lentizellen, meist mehr oder weniger vollständig bedeckt mit einer Schicht weißlicher Flechten, epiphytischer Moose und beblätterter Lebermoose. Innenseite mit schwachen Längsstreifen, gelb bis rötlichbraun oder fast schwarz gefärbt, beim Aufbringen von Alkalien (z. B. Kali- oder Natronlauge) sich rot verfärbend. Bruch kurz und körnig, im inneren Teil faserig.

Geruch und Geschmack: Schwacher, aber charakteristischer, etwas unangenehmer Geruch und bitterer, unangenehmer, Brechreiz erregender Geschmack. Typisch ist die einsetzende Gelbfärbung des Speichels beim Kauen.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Amerikanische Faulbaumrinde, Amerikanische Kreuzdornrinde, Sagradarinde. Englisch: Bearberry bark, bitter bark, cascara sagrada bark, purshiana-bark, sacred bark, sagradabark, yellow bark. Lateinisch: Cortex Cascarae sagradae, Cortex Rhamni americanae, Cortex Rhamni purshiani.

Herkunft: Aus dem Anbau in den Heimatländern USA und Kanada.

Inhaltsstoffe: Anthranoide: Gehalt durchschnittlich 8 bis 10 Prozent. Anthrachinonderivate, die zu 70 bis 90 % als C-Glykoside (= Glycosylverbindungen) vorliegen, darunter als Hauptkomponenten die Isomerenpaare (Stellung der C-glykosidisch gebundenen Glucose am C-10 des Aglykons) Cascarosid A und B, Aloin A und B (Aglykon Aloeemodin), Cascarosid C und D sowie 11-Desoxyaloin A und B (Aglykon Chrysophanol). Zusätzlich die 10-Hydroxyderivate dieser Verbindungen sowie eine Reihe von O-Glykosiden. Anteil an O-Glykosiden 10 bis 20 %, überwiegend 8-O-Glucoside verschiedener Aglykone (u. a. Aloeemodin, Chrysophanol, Physcion und Frangulaemodin). In geringer Menge auch Dianthrone.

Wirkungen: Laxierend. Faulbaumrinde gehört zur Gruppe der resorptionshemmenden Abführmittel. Die in der Droge enthaltenen Anthraglykoside werden nicht resorbiert. Im Dickdarm erfolgt durch bakterielle Enzyme ein Abbau zu Anthronen, welche die wirksame Form darstellen. Der Wirkungsmechanismus besteht vermutlich in einer Beeinflussung der Motilität des Dickdarms mit einer Stimulierung der Kontraktionen, die für den Transport des Darminhalts verantwortlich sind. Dies hat eine beschleunigte Darmpassage zur Folge, was zu der oben genannten Verminderung der Flüssigkeits- und Natriumionenresorption führt. In der Gegenrichtung werden durch Stimulierung des aktiven Transportmechanismus Chloridionen und als Folge dessen Wasser und andere Elektrolyte in den Darm abgegeben. Weitere Wirkungen: In in vitro Versuchen wurden für Extrakte eine Hemmung von Herpes-Viren nachgewiesen (Herpes simplex Typ-1).
Anwendungsgebiete: Akute Verstopfung.

Volkstümliche Anwendungsgebiete: Im Ursprungsgebiet der Pflanze von der Urbevölkerung ebenfalls bei Verstopfung genutzt. Von einigen Indianerstämmen früher auch zur Kräftigung und zum Waschen von Wunden verwendet. Die Wirksamkeit bei den zuletzt genannten Anwendungsgebieten ist nicht belegt.

Gegenanzeigen: Darmverschluss, akut-entzündliche Erkrankungen des Darmes wie z.B. Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Appendizitis, abdominale Schmerzen unbekannter Ursache. Kinder unter 12 Jahren, Schwangerschaft.
Unerwünschte Wirkungen: Bei Überdosierung (oder Anwendung der frischen Drogen) starkes Erbrechen, das mit Spasmen einhergehen kann. Auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch in Einzelfällen krampfartige Magen-Darm-Beschwerden möglich (Dosis reduzieren). Bei chronischer Anwendung Hämaturie (Auftreten von Blut im Harn), Albuminurie und Elektrolytverluste, insbesondere Kaliumverluste. Letzteres kann zu Störungen der Herzfunktion und zu Muskelschwäche führen. Weiterhin kann eine Pigmenteinlagerung in die Darmschleimhaut erfolgen, die jedoch harmlos und nach Absetzen der Droge meist reversibel ist.
Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Herzwirksame Glykoside, Diuretika und Nebennierenrindenhormone (Gluco- und Mineralocorticoide = von der Nebennierenrinde gebildete Steroidhormone bzw. deren synthetische Abwandlungsprodukte): Wirkungsverstärkung. Antiarrhythmika: Beeinflussung der Wirkung möglich.

Dosierung und Art der Anwendung: Maximale Anwendungsdauer: 1-2 Wochen. Bei längerer Anwendung tritt eine Verstärkung der Darmträgheit und damit eine Verstärkung der Verstopfung ein! Tagesdosis 20-30 mg Hydroxyanthracenderivate. Als Tee: Teeaufguss aus 0,45 g Droge. Zum Erzielen der laxierenden Wirkung kann je nach Person bereits eine geringere Drogenmenge ausreichend sein. Wirkungseintritt erst nach etwa 8-12 Stunden! Als Tee möglichst Verwendung von Teebeuteln, die 0,45 Droge enthalten. Zur individuellen Teebereitung 0,5 bis 3 g fein geschnittene Droge (1 Teelöffel entspricht etwa 2,5 g Droge) mit ca. 250 ml kochendem Wasser übergießen und nach 10 durch ein Teesieb geben. Zur Herstellung eines Kaltwasserauszugs 0,5-3 g mit 250 ml kaltem Wasser ansetzen und unter gelegentlichem Umrühren 6-10 Stunden ziehen lassen. Anschließend abseihen. Eine Tasse des Teeaufgusses abends vor dem Schlafengehen trinken.

Sonstige Verwendung: Wie Faulbaumrinde in der Kosmetik zuweilen Nutzung von Trockenextrakten als Sonnenschutzmittel.

Bilder:
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Typisches Merkmal des kleinen, bis 10 m hoch werdenden Baumes sind die recht großen Blätter, die über der Mitte am breitesten sind. Bemerkenswert ist ferner der kurze Griffel, der wie ein kleiner Stummel auf dem deutlich größeren Fruchtknoten sitzt (Abbildung).


Literatur: USDA, ARS, National Genetic Resources Program. Germplasm Resources Information Network - (GRIN). [Online Database] National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Available: http://www.ars-grin.gov/cgi-bin/npgs/html/taxon.pl?403169 (17 September 2003); Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York; M. Wichtl (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2002; Monografie der Kommission E, Bundes-Anzeiger Nr. 133 vom 21.07.1993; Europäisches Arzneibuch, 4. Ausgabe, Grundwerk 2002 und 5. Ausgabe, Grundwerk 2005; E. Teuscher, Biogene Arzneimittel, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 1997; H. Schilcher, S. Kammerer, Leitfaden Phytotherapie, Urban & Fischer Verlag, München-Jena 2003; R. Hänsel, O. Sticher, E. Steinegger, Pharmakognosie - Phytopharmazie, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg 1999.


© Thomas Schöpke